Natürlich ist dieser Hype auch nicht an den Giganten der Software-Branche vorbeigegangen. Anfang 2021 wurde der Process Mining-Anbieter Signavio von SAP aufgekauft. Nur kurze Zeit später folgte die Akquisition von dessen Konkurrenten myInvenio durch IBM. Im April 2022 wurde schließlich auch Microsoft im Markt der Process Mining-Anbieter fündig. Der Weltkonzern aus Redmond übernahm das 50 Mitarbeiter starke Start-up Minit. Dessen Analyse-Tools sollen die Automatisierungswerkzeuge auf der MS Power-Plattform ergänzen. Dank der Übernahme durch Microsoft wurde dem slowakischen Anbieter von Process Mining-Lösungen mit Hauptsitz in Amsterdam eine enorme Aufmerksamkeit zuteil. Ob diese Aufmerksamkeit gerechtfertigt ist, soll in diesem Blogbeitrag beleuchtet werden. Hierzu möchten wir einen Blick auf die Funktionalitäten von Minit werfen und darlegen, wie es im Vergleich zum weltweiten Marktführer Celonis abschneidet.
Generell lässt sich Minit, neben Celonis, UiPath und der Software AG in der Gruppe der Anführer im Markt für Process Mining einstufen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie in Sachen Technologie, Usability, Interoperabilität und Kundensupport auf dem höchsten Niveau agieren. Sie sind also eine Stufe über den Herausforderern wie Signavio und myInvenio, welche sich noch in einem früheren Stadium der Entwicklung befinden.
Minit kann also State of the Art Process Mining anbieten. Seine Funktionalitäten sollen im Folgenden dargestellt und mit denen des Spitzenreiter Celonis verglichen werden. Dabei wird auch auf deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie Stärken und Schwächen eingegangen.
Vergleichskategorien der Process Mining-Anbieter
Prozessaufbau & Datenaufbereitung
Bezüglich dieses Kriteriums sind zwischen den beiden Process Mining-Anbietern keine signifikanten Unterschiede festzustellen. Beide können Ereignisprotokolldaten vorverarbeiten, bereinigen, transformieren und dabei Ausreißer erkennen. Außerdem haben beide die Fähigkeit, Ereignisprotokolle aus verschiedenen Informationssystemen zusammenzuführen und Fall-IDs, Ressourcen und alle spezifischen Attribute in den Ereignisprotokolldaten zu ändern. Des Weiteren können Ereignisprotokolle um Daten von IoT-Geräten ergänzt werden, um weitere Prozesse aufzuspüren.
Kompatibilität
Bei der Kompatibilität sind beide Process Mining-Anbieter stark. Sie bieten vorgefertigte Konnektoren für SAP-, Oracle ServiceNow-,Salesforce- und Microsoft-Anwendungen und laufen auf den Betriebssystemen Windows, Linux und Mac OS. Außerdem bieten beide die Möglichkeit zur Integration mit Tools von Drittanbietern über REST- oder SOAP-Webdienste. Celonis hat insgesamt die Nase jedoch leicht vorn, da hier die Möglichkeit des Zugangs zu allen Funktionalitäten über offene APIs und ein öffentliches Online-Repositorium für vorgefertigte Paketlösungen für bestimmte Systeme und Prozesse bestehen.
Integration mit komplementären Technologien
Auch in diesem Punkt ist Minit knapp unterlegen. ETL-Tools, BI, Datenvisualisierung, Robotic Prozess Automation und Intelligent Document Processing werden von beiden Anbietern abgedeckt. Conversational AI, Chatbots, Business Process Management und Process Orchestration findet man jedoch nur bei Celonis.
Einblick in die Prozesse
In diesem Punkt sind beide Process Mining-Anbieter sehr breit aufgestellt und es werden sehr tiefe und detaillierte Prozesserkundungen ermöglicht. So können dank der Multilevel Process Mining-Fähigkeit BPMN 2.0 konforme Prozessmodelle kreiert werden. Weiterhin können Kosten und Ressourcenverbrauch für jeden Prozessschritt angezeigt, organisatorische und soziale Netzwerke aufgedeckt, Anomalien und fehlgeschlagene Transaktionen identifiziert sowie mehrere Prozessmodelle zusammengeführt werden. Auch die Nutzung von Out-of-the-Box-Dashboards zur Bewertung des Prozentsatzes der Nacharbeit für identifizierte Prozessschleifen und die Generierung von Customer Journey Maps durch das Mining der hierzu relevanten Daten sind möglich. Lediglich die Ableitung von Geschäftsregeln bleibt hierbei den Kunden von Celonis vorbehalten.
Konformitätsprüfung
In diesem Gebiet liegt Minit tatsächlich gleichauf mit dem Process Mining Marktführer. Es können BPMN-Modelle importiert werden, um ein Standard-Modell zu identifizieren. Des Weiteren ermöglicht das System Gap-Analysen und Root-Cause-Analysen, welche zur Ermittlung unerwünschter Abweichungen sowie deren Ursachen dienen. Darüber hinaus können Zielprozesse durch das Prozess Modelling-Tool definiert werden, welche sich dann beispielsweise an den eingebauten Best Practice Prozess-Templates ausrichten. Zu guter Letzt kann die Einhaltung von Compliance-Regeln, wie etwa die Aufgabentrennung überprüft werden.
Prozessmonitoring & Reporting
Auch auf diesem Gebiet sind die beiden Process Mining-Anbieter am obersten Ende des Process Mining- Marktes anzusiedeln. Celonis übertrumpft Minit hier lediglich durch die Erstellung von PDD-Dateien des betrachteten Prozesses und die Anfügung von Notizen für die Prozessschritte. Ansonsten können die beiden Process Mining-Anbieter hier mit vergleichbaren Funktionen aufwarten. Dazu zählen die Identifikation der optimalen Prozessvariante anhand von individuellen Maßstäben, die Textsuche in der Prozess-Map, die Fast-Echtzeit-Überwachung von KPIs sowie die Möglichkeit, die Analyseergebnisse mit Dritten zu teilen. Außerdem besitzen beide auch prädiktive Funktionalitäten zur Abschätzung der Durchlaufzeit und zur Vorhersage von Verzögerungen auf der Grundlage von Prozessinformationen nahezu in Echtzeit.
Prozessoptimierung
Im Bereich der theoretischen Prozessoptimierung performen beide Process Mining-Anbieter auf ähnlichem Niveau. Es kann bei beiden künstliche Intelligenz eingesetzt werden, um die Verletzung von KPIs automatisch vorherzusagen und diese auch präventiv zu melden. Des Weiteren ermöglichen die Systeme den Durchlauf mehrerer Simulationen, Was-wäre-wenn-Analysen und Szenario-Tests, um verschiedene Zukunftsszenarien zu beleuchten. Weiterhin werden Prozesse und Aufgaben, welche sich zur Automation eignen, automatisch identifiziert. Außerdem werden Vergleichsanalysen erleichtert, indem virtuelle Protokolle der simulierten Prozesse gespeichert werden können.
In der praktischen Implementierung der optimierten Prozesse offenbart sich hingegen die große Stärke von Celonis, welche in der Welt des Process Minings einmalig ist. Celonis versteht sich nämlich nicht nur als reine Process Mining-Software, sondern als Execution Management System. Es kann daher die betrachteten Prozesse direkt in den Quellsystemen optimieren und Ausführungslücken schließen. Hierzu können mehr als 10.000 vorgefertigte Automatisierungen aus mehr als 700 Execution Apps eingesetzt werden, welche sich spielend leicht per Drag-and-Drop kreieren lassen. Das Process Mining Celonis Studio ermöglicht es außerdem Drittanbietern eigene Execution Apps zu entwickeln. So entsteht ein ständig wachsendes Ökosystem an maßgeschneiderten Lösungen, die über den EMS Store bezogen werden können.
Sicherheit & Compliance
Natürlich sind Compliance und Sicherheit im Informationsraum nicht mehr nur reine Makulatur, sondern eine Grundbedingung für sämtliche weitere Funktionalitäten. Hierbei lässt sich erfreulicherweise festhalten, dass sowohl Celonis als auch Minit höchste Standards erfüllen. Hierzu zählen vorgefertigte Algorithmen in System-Konnektoren zur Ver- und Entschlüsselung von Ereignisprotokolldaten, rollenbasierter Systemzugriff, vielseitige Anonymisierungsmöglichkeiten und Active-Directory-Integration. Obendrein wird die Möglichkeit geboten, verschiedene Umgebungen mit eingeschränkten Nutzerberechtigungen zu schaffen.
Training & Support
Celonis und Minit haben eindeutig erkannt, dass Kundenkontakt und Unterstützung zwei entscheidende Erfolgskriterien des Wertangebot seiner B2B-Softwarelösung darstellen. Dies lässt sich unschwer anhand ihres umfangreichen Trainings- und Supportangebots erkennen. Trainings und Zertifizierungen können sowohl von den Process Mining-Anbietern als auch von deren Partner bezogen werden. Dabei werden zur Anwenderschulung online als auch offline sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft. Online werden Lernportale angeboten, wo interaktive Kurse und Zertifikate rollenbasiert und in individueller Geschwindigkeit absolviert werden können. Außerdem bestehen Online-Nutzer-Communities und Support-Foren, wo sämtliche Stakeholder der Produkte sich weltweit über selbige austauschen. Des Weiteren werden Präsenzschulungen angeboten. Es bestehen auch Community-Editionen der Produkte, wobei diese bei Minit nur für die akademische Nutzung freigegeben sind.
Geschäftsmodell & Bezugsmöglichkeiten
On-Premise, Software-as-a-Service, Private oder Public Cloud – das sind die Bezugsmöglichkeiten, welche von beiden Process Mining-Anbietern verwirklicht werden können. In den Lizenzierungsmöglichkeiten unterscheiden sich Minit und Celonis jedoch. Minit kann nutzerbezogen oder über ein Abonnement abgerechnet werden. Letzteres wird bei Celonis um eine hybride Form ergänzt. Dabei wird die nutzerbezogene Betrachtung um den Aspekt des Volumens der genutzten Ereignisprotokolle ergänzt. Preislich sind beide Process Mining-Anbieter dem Premium-Segment zuzuordnen.
Sonstiges
Neben den harten Fakten bezüglich des Process Mining gibt es jedoch auch weitere Faktoren, welche die beiden Softwares sowie die dahinterstehenden Unternehmen unterscheiden. Die Stärken und Schwächen sollen hier qualitativ betrachtet werden.
Für Minit spricht hier, dass das Unternehmen von Microsoft übernommen wurde. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass das Process Mining und die dazugehörigen Leistungen allesamt reibungslos in das Microsoft-Ökosystem integriert werden können. Dadurch könnte Minit sich gewisse Vorteile erarbeiten, welche mit der Integrationstiefe und -breite der Kundenunternehmen in Microsoft-Systeme zusammenhängt. Außerdem kommt Minit durch die Übernahme schlagartig in den Genuss sämtlicher Vorzüge, Teil eines Software-Giganten zu sein. So kann auf eine riesige Basis an Know-how zurückgegriffen, ein weltweites Vertriebsnetzwerk erschlossen und neue finanzielle Spielräume genutzt werden. Darüber hinaus schafft die Zugehörigkeit zu Microsoft ein großes Vertrauen der Kunden.
Dieses Vertrauen hat sich Celonis bereits ebenfalls erarbeitet. Hierfür ist es auch hilfreich, dass das Münchner Start-up nun zum erlesenen Kreis der „Decacorns“ zählt. Das heißt, dass ein Unternehmen mehr als 10 Milliarden US-Dollar wert ist. Investoren bestätigten für Celonis sogar eine Bewertung von 11 Milliarden. Außerdem spricht für Celonis, dass es der Pionier des Process Mining-Marktes ist. Celonis hat die meiste Erfahrung, die größte und breiteste Kundenbasis und das ausgereifteste Angebotsportfolio. Außerdem hat es bereits ein beträchtliche Mitarbeiterzahl von knapp 2.000 und ist auf dem besten Weg zu einem führenden Technologiekonzern zu werden.
Fazit
Der Vergleich der beiden Process Mining-Anbieter zeigt, dass sowohl Minit als auch Celonis ein wohl durchdachtes, performantes und kompatibles Process Mining-Angebot aufweisen. Es wird spannend zu sehen sein, wie sich die Integration von Minit in das Microsoft-Ökosystem auf seine weitere Entwicklung auswirkt. Minit muss sich dabei in vielen Punkten nicht vor dem Process Mining Marktführer Celonis verstecken. Celonis ist jedoch die absolute Benchmark im weltweiten Vergleich und hat in einigen Bereichen mehr zu bieten. Vor allem die Funktionalitäten des Celonis Execution Management Systems, welche die einfache Automatisierung von Aufgaben sowie die Implementierung fortschrittlicherer Automatisierungen durch die Einbindung von Echtzeit-Analysen mittels Process Mining ermöglichen, stechen dabei hervor. Um die sprichwörtlichen tiefhängenden Früchte der Prozessoptimierung zu pflücken, eignen sich sicherlich beide Process Mining-Anbieter. Für komplexere Aufgabenstellungen sollte dann individuell je nach Preis, Anforderungen und Kompatibilität abgewogen werden. Wir unterstützen Sie hierbei gerne!